Die Parteitaktiker
Nicht der Demokratie
schaden - so appellieren sie. Aber sie tun es gemeinsam.
Außerhalb der Talkshows
und Leitartikel versteht keiner mehr, warum wer mit wem spricht und wer mit wem
nicht.
Nur eine Mehrheit ist sicher - die der Nichtwähler. Die haben nämlich am Sonntag
41 Prozent geholt. Und sind damit erstmals stärkste Kraft im Düsseldorfer
Landtag.
Quelle: taz 14.05.2010
Im Namen der Taktik: Nichts scheint
ausgeschlossen.
Bis keiner mehr wählt
KOMMENTAR VON GORDON
REPINSKI
Einige Tage ist die
Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen nun vorbei - Zeit für einen politischen
Überblick: Wahlgewinnerin ist die CDU, zumindest nach Stimmen. Weil sie aber
viele Prozente verloren hat, kann sie nicht mehr mit der FDP koalieren. Deswegen
möchte CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers nun eine große Koalition mit der
SPD anführen, die aber ihrerseits die Ministerpräsidentin stellen will, weil sie
sich als Siegerin fühlt, weil sie nicht ganz so viele Stimmen verloren hat.
Da dies Rüttgers nicht mitmacht, will die SPD auch mit der Linkspartei sprechen,
die sie noch kurz vor der Wahl als nicht koalitionsfähig bezeichnet hat. Und
weil sie das nun tatsächlich wagt - also: das Gespräch -, darf sie nicht mehr
mit der FDP sprechen, was sie wollte, um vielleicht eine Ampel einzugehen. Denn
die FDP sagt, sie spreche nur mit Parteien, die nicht mit Parteien sprechen, die
extremistisch sind, und das ist die Linke - sagt die FDP.
Politik ist taktisch,
klar. Besonders taktisch ist Politik nach Wahlen, wenn es um die
Ausgangsposition für Koalitionsgespräche geht - bekannt. Bemerkenswert ist, dass
die Taktiererei in einer Zeit geschieht, in der die Grenzen zwischen den Lagern
aufgeweicht sind. Die Union fördert auf einmal Kinderbetreuung, die Grünen
machen Schulpolitik mit der CDU. Die FDP war noch vor fünf Jahren der SPD in
Nordrhein-Westfalen so nah wie keine andere Partei, koaliert im Saarland mit den
Grünen und diskutiert neue Bündnisse - weil alle anderen Parteien genauso
verfahren. Sie öffnen sich.
Umso künstlicher wirkt
die Abgrenzungsmaschinerie, die sich in Nordrhein-Westfalen in Gang gesetzt hat.
An den Haaren herbeigezogen ist das Argument der FDP ("Wir sprechen nicht mit
jemandem, der Koalitionsgespräche mit Extremisten führt"). Wird die FDP nach der
nächsten Wahl auch eine Koalition mit der CDU ausschließen ("Wir sprechen nicht
mit Parteien, die mit Parteien sprechen, die Koalitionsgespräche mit Extremisten
führen")? Im Namen der Taktik: Nichts scheint ausgeschlossen.
Besonders FDP und SPD
appellieren nun an den anderen, nicht der Demokratie zu schaden. Aber sie tun es
gemeinsam. Weil außerhalb der Talkshows und Leitartikel keiner mehr versteht,
warum wer mit wem spricht und wer mit wem nicht.
Nur eine Mehrheit ist sicher - die der Nichtwähler. Die haben nämlich am Sonntag
41 Prozent geholt. Und sind damit erstmals stärkste Kraft im Düsseldorfer
Landtag.
(Gordon Repinskiist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.)
Quelle:
http://www.taz.de
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