Arzt auf dem Land 
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Weg zum Arzt wird immer weiter
Mit der Versorgung in manchen Dörfern im Kreis sieht es schlecht aus.

Um das Problem zu entschärfen, müsse der Öffentliche Nahverkehr verbessert werden, fordert Dr. Arend E. Rahner, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein im Kreis.

Wer im Kreis krank ist, sammelt, je nachdem, wo er lebt, ganz unterschiedliche Erfahrungen mit der ärztlichen Versorgung. Wohnt er zum Beispiel in Bergheims Mitte, muss er sich um nahe Wege keine Sorgen machen. Ein gutes Dutzend Praxen liegen allein an der Hauptstraße. Düster sieht es dagegen in manchen Dörfern aus. In Glessen zum Beispiel schließt zum Jahresende die Gemeinschaftspraxis von Barbara und Peter Jürgen-Lohmann.

"Völlig andere Zustände"

Einen Nachfolger für den rund 6000 Einwohner zählenden Ort Glessen konnten sie nicht finden, sie geben daher ihren Sitz an eine Gemeinschaftspraxis in der Bergheimer City ab. "Wir sind schon über 30 Jahre hier. Aber mittlerweile herrschen völlig andere Zustände als am Anfang. Ich kann die jungen Kollegen verstehen, wenn sie nur noch einen Berg von Arbeit und kaum noch Perspektiven sehen", sagt Peter Jürgen-Lohmann. 1500 Patienten zählt die Praxis mittlerweile im Quartal. Aufgrund der Budgetierung war das Honorar-Punkte-Konto zuletzt immer frühzeitiger voll. Trotzdem machte das alt eingesessene Ärzte-Ehepaar weiter. Zwar könne man von der Praxis immer noch ganz gut leben, aber die Arbeit nehme ständig zu. "Wenn die Politiker davon reden, dass sie die Hausärzte stärken wollen, ist das nur eine große Luftblase." Für die Patienten verschlechtere sich die Versorgung schon jetzt. Der Trend, dass sich immer mehr Versorgungszentren in den Ballungsgebieten etablierten, werde noch deutlich zunehmen - zulasten der Peripherie. Wer auf dem Land wohne, müsse mit weiten Wegen rechnen. Schlecht sei das zumal für alte und immobile Menschen. "Der Öffentliche Nahverkehr muss verbessert werden, das ist die einzige Alternative", sagt Rahner, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Kreisstelle Erftkreis. Schuld gibt er den "lebensfernen Gesetzen", die Versorgungszentren förderten, die Basisversorgung in kleinen Orten aber aus dem Blick verlören. Eine rasche Besserung verspricht er sich für den Kreis nicht, Situationen wie in Glessen seien kein Einzelfall. "Es findet ein Umbruch statt", sagt Thomas Landmann, der in Pulheim-Dansweiler eine Gemeinschaftspraxis mit Dr. Christoph Charisius betreibt. Die Patienten aus der Glessener Praxis der Jürgen-Lohmanns kommen über die Stadtgrenze in die Dansweiler Gemeinschaftspraxis. Zwar gibt es in Glessen noch eine zweite Praxis, aber die Kapazität reicht nicht aus. Nachbarorte wie Fliesteden, Büsdorf, Nieder- und Oberaußem, die keine eigene Arztpraxen haben, müssen mitversorgt werden. Landmann und Charisius stellten zusätzliches Personal ein, trotzdem müssen die Patienten teilweise länger warten. Neue Patienten ohne Termin werden nur im Notfall behandelt. "Wenn die Arbeit mit dem Menschen nicht mehr stattfinden kann, ist das ganz schlecht", sagt Landmann.

631 zugelassene Ärzte

Ruth Bahners, Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, bestätigt, dass ein großes Ungleichgewicht zwischen den Zentren und den ländlichen Regionen herrsche. Das treffe auch andere Kreise. Nichtsdestotrotz gelte der Rhein-Erft-Kreis als sehr gut versorgt. Unter den 631 zugelassenen Ärzten sind 305 Hausärzte, 242 Fachärzte und 84 Psychotherapeuten. Die Zahlen sind Grund für einen Zulassungsstopp. "Es ist aber eine Frage der Verteilung", sagt Bahners. Und da gebe es Probleme. Doch keinem Arzt könne befohlen werden, aufs Land zu ziehen. Derweil wird es für die verbleibenden Kollegen auf den Dörfern immer schwieriger, alle Termine - vom Hausbesuch, über die Sprechstunde bis zur Büroarbeit - unter einen Hut zu bekommen. "Meine Tätigkeit als Hausarzt finde ich völlig in Ordnung. Aber der Spagat, den eigenen Ansprüchen zu genügen, wird immer größer", sagt Charisius. Er ärgert sich zumal über die Bürokratie. Eine halbe Stunde koste ihn die routinemäßige Bearbeitung eines Antrags auf Kurleistungen. Zeit, die er von der Mittagspause oder vom Feierband abzwackt. 40 Patienten besuchen ihn an einem gewöhnlichen Vormittag in seiner dreistündigen Sprechstunde - und es sind Sommerferien, von Hochkonjunktur kann also keine Rede sein. Ursprünglich war einmal eine Viertelstunde pro Patient angesetzt. Demnach hätte die Sprechstunde zehn Stunden dauern müssen. Auch Patienten aus Brauweiler und Pulheim kommen zu Landmann und Charisius.

Notbremse

Die beiden 45- und 48-jährigen Mediziner, die auf Fortbildungen zu den jüngeren Kollegen zählen, ziehen nun die Notbremse. In einem Schreiben an den CDU-Bundestagsabgeordneten Willi Zylajew und Bergheims Bürgermeisterin Maria Pfordt weisen sie auf den Hausärzte-Mangel hin, der Nachwuchs fehle. Von "enormen Steuerungsproblemen", spricht Zylajew. Und auf Kreisebene sei das Thema mittlerweile ein Dauerbrenner. "Man muss jeder einzelnen Sache nachgehen", sagt Zylajew, und führt ins Feld, dass Ärzte die Ballungsräume häufig auch aus persönlichen Gründen bevorzugten. Eine generelle Lösung sehe er nicht. Einen Hoffnungsschimmer sieht Ruth Bahners in der Umstellung auf eine "kleinräumige Bedarfsplanung", die die Kassenärztliche Vereinigung derzeit propagiere. Sie beziehe geographische Besonderheiten, aber auch den demographischen Wandel und künftige Bevölkerungszahlen ein. So werde zum Beispiel der Bedarf an Urologen und Augenärzten zunehmen.

Quelle: KStA vom 14.07.2008 / VON JAN STING

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Beruf wieder attraktiv machen

Zu: „Weg zum Arzt wird immer weiter“ vom 14. Juli.

Bei einem Thema, das an Aktualität und Brisanz sowohl für Patienten als  auch für Hausärzte zunehmend in den Vordergrund rückt und für beide Seiten z.T. existenziell wichtig ist, werden Aussagen veröffentlicht, die nachweislich falsch sind und die eine Vielzahl von Patienten in Glessen  in Unruhe und Angst versetzen.

Der Artikel vermittelt den Eindruck, dass nach dem Schließen der Gemeinschaftspaxis Jürgen-Lohmann dort zum Jahresende alle Patienten über die Ortsgrenze hinaus nach Dansweiler gehen müssen und die dort ansässige Praxis – jetzt schon überlastet (?) – vor zunehmende unlösbare Probleme stellen werden, da ja in den umliegenden Ortschaften keine Arztpraxen seien. Auch gebe es in Glessen zwar eine zweite Praxis, doch „die Kapazität reicht nicht aus“.

Allein zu diesen Punkten ist klarzustellen:

1. Es gibt in den umliegenden Ortschaften Niederaußem und Oberaußem sechs niedergelassene Hausärzte, alle seit mindestens zehn Jahren , z.T. deutlich  länger dort ansässig. Auch gibt es im nahegelegenen  Brauweiler, Pulheim und seinen Vororten eine große Anzahl hausärztlich tätiger Ärzte, die schon jetzt auch Glessener Bürger betreuen.

2. Wie kann ein Journalist die Kapazität einer Arztpraxis beurteilen, wenn er es nicht einmal für nötig hält, dort nachzufragen? Da es sich um meine Praxis handelt, weiß ich genau, dass es keinerlei Anfrage bzw. Kontakt mit mir gegeben hat, um auch nur irgendetwas in dieser Angelegenheit zu klären.

Ich kann nur sagen, dass es für Patienten und Hausärzte in der Zukunft nicht einfacher, sondern schwerer werden wird. Jedoch kann ich für meine Person und, soweit ich das beurteilen kann, auch für die mir bekannten Kollegen in unserem Umkreis sagen, dass wir auch in Zukunft alles tun werden, um die sich uns anvertrauenden kranken Menschen möglichst optimal zu behandeln. Dazu gehören allerdings auch eine gewisse Geduld vonseiten der Patienten und mehr Unterstützung vonseiten der Politiker. Letztere sollten sich Gedanken machen, wie sie es schaffen können, den Arztberuf auch in einer ländlichen Umgebung wieder für jüngere Kollegen attraktiv zu machen. Seit dem Erscheinen des Artikels erreichen mich viele Anfragen von Glessener Bürgern sowie deren Angehörigen, die glauben, ich würde keine Patienten mehr annehmen. Das ist jedoch nicht der Fall.


Michael Marqua, Hausarzt, Bergheim-Glessen

Quelle: Leserbrief / KStA vom 18.07.2008

 

Leserbrief aus dem KStA vom 21.07.2008