KStA 30.08.06
Streit um das Glessener Kirchenland
RALPH JANSEN
Bergheim-Glessen - Die Planungen für die Bebauung der oberen Giethgasse in
Glessen können beginnen. Die Mehrheit aus CDU, FDP und bma beschloss am
Montagabend im Rat gegen die Stimmen von SPD und Grünen, in das Verfahren
einzusteigen. Auf dem Gelände am Wasserturm möchte die katholische
Kirchengemeinde St. Pankratius aus Glessen Grundstücke für vier Einzel- und vier
Doppelhäuser vom Glessener Architekten Klaus Sahler erschließen lassen.
Insgesamt 4600 Quadratmeter Fläche sollen bebaut werden. Das Projekt ist in
Glessen umstritten. Bürger haben sich schon in Anträgen gegen eine weitere
Bebauung des stark mit Verkehr belasteten Ortes ausgesprochen.
Die Anträge sollen aber erst in der nächsten Sitzung des Bürgerausschusses
behandelt werden. Das wurde vom Vize-Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Peter
Hirseler, scharf kritisiert: „Wenn es einem passt und ein bekannter Investor
dabei ist, dann geht man einfach über den Bürgerwillen hinweg." Er forderte, mit
dem Beschluss zu warten, bis die Bürgeranträge beraten worden seien, fand dafür
aber keine Mehrheit.
Die CDU wies die Vorwürfe zurück. Man steige ja erst in das Verfahren ein,
betonte Fraktionsvorsitzender Franz-Josef Düchting. Die Bürgeranträge könnten im
Laufe des weiteren Verfahrensalle noch diskutiert und berücksichtigt werden.
Die SPD kritisierte das Bauvorhaben hingegen sogar als gesetzeswidrig.
Ortsvorsteher Kurt Büchel findet, dass der städtebauliche Bedarf für den neuen
Bebauungsplan noch nicht ermittelt sei. Eine solche Ermittlung sei aber die
rechtliche Voraussetzung für eine Änderung eines Bebauungsplanes: „Diese Planung
ist wieder einmal eine reine Begünstigungsplanung für private Interessen."
Stadtplaner Joachim Heidemann wies Büchels Vorwürfe zurück. Die
Bedarfsentwicklung sei in den 90er Jahren und zur Jahrtausendwende überprüft
worden, außerdem handele es sich nur um zwölf Hauseinheiten. Deshalb halte die
Verwaltung die Einleitung des Verfahrens für vertretbar. Sollte sich in dem
Verfahren ergeben, dass es in Glessen keinen Bedarf an Wohnraum mehr gebe, könne
man die Planungen auch ändern, betonte Heidemann. Sollte sich aber der Eindruck
verfestigen, dass es Bedarf gebe, dann würde die Verwaltung nicht korrekt
handeln, wenn sie das Verfahren jetzt um Jahre verzögerte.
Entrüstet zeigte sich Manuela Frey. Sie ist Anwohnerin der Giethgasse: „Über die
Meinung der Bürger wird einfach so hinweggegangen." Auch sie bezweifelt, dass es
einen „städtebaulichen Bedarf" für das neue Bauprojekt gibt. Es gehe den
Anwohnern nicht um eine Sichtbeeinträchtigung und auch nicht darum, ob die
Kirche Geld brauche: „Denn dann bräuchte man entweder gar nicht mehr zu bauen,
weil immer irgendjemandem etwas nicht passt, oder man würde immer dann Ackerland
zu Bauland machen, wenn der Eigentümer Geld braucht."
Wichtig sei jedoch die Frage nach der Verkehrssituation in Glessen, „auch wenn
dieses Baugebiet sie naturgemäß nicht ausgelöst hat", erläuterte Manuela Frey:
„Aber wie mit diesem Gebiet verfahren wird, so ist in Glessen immer verfahren
worden: Hier ein paar Häuschen, dort ein paar Häuschen, aber kein
verkehrstechnisches Gesamtkonzept - und das hat sehr wohl etwas mit der
aktuellen Situation zu tun." Außerdem sei neben dem Verlust der Landschaft bei
einem Überangebot auch mit einem Werteverlust der bestehenden Objekte zu
rechnen".
Kommentar zum Artikel des KStA vom
30.08.2006 und zur Ratssitzung am 28.08.2006
Nur unter Druck und dem Vorwurf des
Gefälligkeitsjournalismus war der Redakteur Ralph Jansen in der Lage, sich des
Themas etwas differenzierter anzunehmen. Warum nicht gleich so ? Hier kommen
alle "zu Wort".
Den Stadtplaner Heidemann verstehe nun wer will. Für Glessen hat er einen
städtebaulichen Bedarf in dem Baugebiet Dansweilerstr. (Bebauungsplan 220)
festgestellt und ausgewiesen. Auch aus dem
demographischen
Gutachten geht hervor, dass ein weiterer Bedarf an Wohnflächen nicht
besteht. An einer Umsetzung und Realisierung ist CDU-Sahler aus Kostengründen
nicht interessiert (problematisch ist in diesem Gebiet die Entwässerung). An der
Dansweiler Str. könnten aber eben auch die jetzt angeführten jungen Familien in
Glessen eine neue Bleibe finden und zwar nicht minder schlecht. Der weitere
Verbrauch von Flächen im Außenbereich (!) ist nicht erforderlich, d.h. es
werden noch nicht einmal Baulücken geschlossen, sondern das Wohngebiet wird
kräftig ausgedehnt.
Schauen wir mal nach Pulheim:
dort bietet die Stadt regelmäßige Programme an
junge Familien an, die dort preisgünstig bauen können. Dort werden Bauflächen
programmatisch "vermarktet". Einzelinteressen von ortsansässigen Unternehmen
treten in den Hintergrund.
Insofern bleibe ich bei meiner
Meinung, dass durch die jetzt initiierte Planung "Giethgasse" nur
Einzelinteressen vertreten werden. In der Vergangenheit wurde auch so verfahren,
mit der Folge, dass heute verkehrstechnisch ein Chaos entstanden ist und sich
der Verkehr über die Hohe Str. und die Straße "Im Tal" wie ein Kamel durch ein
Nadelöhr zwängt.
Und wie hat die Stadträtin Keller am
Montag in der Ratssitzung zum TO Giethgasse abgestimmt ? In der Sitzung des
Ausschusses für Planung und Umwelt am 24.05.2006 hat sich die Stadträtin Keller
enthalten. In der Ratssitzung am Montag hat Keller - in der letzten Reihe
sitzend - dem Vorhaben zugestimmt. Woher der plötzliche Sinneswandel ? Und dann
im Nachgang den Bürgern weismachen wollen, man setze sich für sie ein. Typisch.
Das Erfüllungsgehilfentum funktioniert. Fraktionszwang gibt es nicht.
Ratsmitglieder sind nach § 43 GO NW (Gemeindeordnung NW) in ihrer Tätigkeit
ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das
öffentliche Wohl (der städtebauliche Bedarf lässt grüssen) bestimmten
Überzeugung zu handeln; sie sind an Aufträge nicht gebunden. Und der lachende Dritte ? Richtig...
(Quelle: Michael Broetje, 30.08.2006)
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