Ostern - Karwoche 
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Kuschelemusch" oder doch lieber Heilfasten?

Von rheinischen Fastenspeisen in der Karwoche

Das früher nicht nur im Rheinland bekannte Phänomen der "grünen Speisen" ist heute vielen Menschen nicht mehr geläufig. Wie der LVR-Volkskundler und Nahrungsexperte des Amtes für rheinische Landeskunde Dr. Berthold Heizmann bei einer Umfrage festgestellt hat, verbindet man heute damit häufig Begriffe wie "Grünkernbratling", Reformhauskost oder ganz allgemein vegetarische Gerichte.

Dabei haben diese "grünen Speisen" eine lange Tradition. An Gründonnerstag zum Beispiel aßen die Rheinländer bevorzugt frische Gemüse oder Salate aus Spinat, Lauch, Brunnenkresse, Brennnessel, Huflattich, Kerbel, Löwenzahn, Sauerampfer, Schnittlauch, Schafgarbe oder gar Rapsblätter. All dies schmeckte als junge Pflänzchen natürlich besonders gut und hatte angeblich Heilkraft, wenn man sie als siebener-, neuner- oder gar als zwölferlei Kräuter oder Gemüse zubereitete. Auch Suppen, Eierkuchen und Karpfen erhielten an diesem Tag einen grünen Stich.

Aber nicht nur grüne Speisen gehören zu den herkömmlichen Fastenspeisen. Erlaubte Alternative zum Fleisch während der Fastenzeit war und ist der Fisch, weil er nicht "blutet". Verständlich also, dass in Flussnähe vor allem Fisch gegessen wurde, sei es einheimischer wie Rotauge, Hecht, Zander und Aal oder importierter wie Hering und Kabeljau. Für die Landbevölkerung fernab fischreicher Gewässer war der Kauf von Fisch recht schwierig, da häufig lediglich an Gründonnerstag ein Verkäufer mit seinem Dreirad-Auto über Land kam. Zudem waren zum Beispiel die geräucherten Aale von der Sieg relativ teuer. Besser gestellt waren natürlich die Städter, vor allem die Kölner: Die holländischen Fischverkäufer zogen donnerstags und freitags mit ihren Handkarren durch die Straßen und forderten durch Ausrufen zum Kauf auf. Anschließend fuhren sie mit der Eisenbahn in die Eifel und zogen dort von Dorf zu Dorf, wo sie die übrig gebliebenen Bratbücklinge anboten.

Der Brauch des Fischessens ist bis auf den heutigen Tag sehr lebendig. Jedoch zeigt ein Blick auf die Speisekarten rheinländischer Restaurants, dass das Fischgericht sich von der Fasten- zur Festspeise entwickelt hat. Statt Stockfisch wie "Kuschelemusch" reicht man opulente Mahlzeiten für den verfeinerten Gaumen: Neben den "Klassikern" Rotbarsch, Seelachs und Kabeljau, die bei den Fischhändlern wie jedes Jahr ganz oben auf der "In-Liste" stehen, eben auch Zander, Lachs bis hin zu Garnelen für ein ausgefallenes Fischfondue. Neuester Trend: Fastenknödel aus Fisch, dazu Salate der Saison.

Diese neue Entwicklung geht einher mit einer Veränderung der Einstellung: Viele der von den LVR-Volkskundlern befragten jüngeren Passanten verstehen unter "Fasten" weniger die religiös motivierte und zeitlich begrenzte Enthaltsamkeit als vielmehr Heilkuren und Diäten. Lediglich der Zeitpunkt des Fastens, wenn überhaupt durchgeführt, wird dem christlichen Festkalender entnommen. Ältere hingegen neigen noch eher dazu, die Fastenzeit einzuhalten: Sei es durch den Verzicht auf Alkohol, Süßigkeiten oder das Lösen von Kreuzworträtseln. Insgesamt scheint es, dass Jüngere das Fasten häufig uminterpretieren und Ältere es zu den Tabuthemen zählen, über die man nur ungern spricht. he

02.04.2004 (Quelle: http://www.lvr.de/app/Presse/Archiv.asp?NNr=663)