2007_05_21_Lustreisen 
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süddeutsche 21.05.2007

Lustreisen für Lokalpolitiker

Von Johannes Nitschmann

Die Kölner Staatsanwälte wollten ein heikles Strafverfahren einstellen: Ermittelt wurde wegen luxuriöser Lustreisen von Energieunternehmen.

Unter Juristen wird die Kölner Staatsanwaltschaft gerne spöttisch "Einstellungsbehörde" genannt. Die Anklagebehörde in der Domstadt gilt als ziemlich zahm.

Viele Korruptionsverfahren gegen Kommunalpolitiker, die im Rheinland mit der Müllbranche gekungelt hatten, endeten überraschend mit Einstellungen gegen Geldauflagen.

Auch gegen den der Untreue verdächtigten Fußballmanager Rainer Calmund hielt die Kölner Staatsanwaltschaft eine Anklage für verzichtbar. Im Gegenzug zahlte der Fußball-Promi 25.000 Euro an die Staatskasse. Damit hat Calmund als unschuldig zu gelten. Dies sieht der Einstellungsparagraph 153a des Strafgesetzbuches vor.

So geräuschlos wie den Fall Calmund wollten die Kölner Ermittler jetzt ein anderes heikles Strafverfahren zu den Akten legen. Bereits seit Mitte 2005 geht die Staatsanwaltschaft dem Verdacht nach, dass die beiden großen Energiekonzerne Eon und RWE jahrelang Aufsichtsräte kommunaler Energieunternehmen zu luxuriösen Lustreisen eingeladen haben. Als Motiv für die Großzügigkeit der Energieversorger vermuten die Ermittler ,"politische Landschaftspflege".

Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln bundesweit gegen etwa 700 Kommunalpolitiker und leitende Rathausbeamte, die im Verdacht der Vorteilsannahme stehen. Hinzu kommen Strafverfahren gegen Manager von Eon und RWE wegen Vorteilsgewährung.

Häufig hatten die Vergnügungsreisen eine norwegische Bohrinsel zum Ziel, um die Ausflüge als "Energieseminare" zu tarnen. Oftmals ging es aber auch nach Barcelona oder Rom. Im Frühjahr 2001 reisten elf Aufsichtsräte der Aggergas, einem kommunalen Versorger im Oberbergischen Kreis, auf Kosten der Eon-Tochter Ruhrgas zu einer Energie-Fachtagung in die italienische Hauptstadt - mit ihren Ehefrauen. Nach den Feststellungen der Kölner Staatsanwaltschaft "eine eindeutige Lustreise".

Obwohl die Ermittler bei den elf mitgereisten Ratsherren, die in verschiedenen oberbergischen Kommunalparlamenten sitzen, den "dringenden Tatverdacht der Vorteilsannahme" sehen, beantragten sie bei dem zuständigen Amtsgericht Gummersbach eine Verfahreneinstellung. Die beschuldigten Politiker sollten laut Oberstaatsanwalt Günther Feld "eine Geldauflage in Höhe der Reisekosten plus zehn Prozent'' zahlen, um damit der Anklagebank zu entkommen.

Doch der Gummersbacher Amtsrichter Peter Sommer machte den Deal nicht mit. "Man kann nicht einfach alles unter den Teppich kehren", urteilte Richter Sommer. Er verweigerte seine Zustimmung zur Einstellung der Strafverfahren und schickte die Akten zurück an die Staatsanwaltschaft Köln. Die muss nun Anklage gegen die elf Kommunalpolitiker wegen Vorteilsannahme erheben, wie Feld bestätigt. Der Sprecher des Gummersbacher Amtsgerichts, Albert Bartz, sagte, dem Gericht habe es an einer öffentlichen Reue der Ratsherren gefehlt. "Niemand hat sein Bedauern geäußert, geschweige denn, dass einer in Sack und Asche geht." Lokalpolitiker, die bei jeder Gelegenheit in die Medien drängten, müssten sich auch "den Gang nach Canossa antreten" und sich einer Gerichtsverhandlung stellen, sagte Bartz.

"Flächendeckendes System"

Unterdessen will die Kölner Staatsanwaltschaft in anderen Lustreise-Verfahren an ihrer Linie festhalten und den beschuldigten Kommunalpolitikern und Rathausbeamten eine Verfahrenseinstellung gegen Geldauflage anbieten, "wenn es keine Ausreißer gegeben hat", wie Feld erklärt.

Im Klartext: Politiker, die in den vergangenen fünf Jahren nicht mehr als zwei Reisen auf Kosten der Energiewirtschaft unternommen haben, sollen straffrei ausgehen. Falls sie sich von Eon oder RWE häufiger haben einladen lassen, droht ihnen ein Strafbefehl oder eine Anklage wegen Vorteilannahme.

Zwei Beigeordnete des Rhein-Erft-Kreises und ein CDU-Ratsherr aus dem rheinischen Wesseling, denen Lustreisen nach Norwegen und ins belgische Brügge zur Last gelegt werden, haben gegen den an sie gerichteten Strafbefehl bei Gericht Widerspruch eingelegt. Nun müssen sie auf die Anklagebank. Der erste Lustreisen-Prozess soll im September vor dem Amtsgericht Brühl eröffnet werden. Inzwischen haben die Energiekonzerne aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen Konsequenzen gezogen.

Die Eon-Tochter Ruhrgas hat alle Lustreisen gestoppt und für ihre Mitarbeiter einen "neuen Verhaltenskodex" erlassen. Während ihrer Ermittlungen waren die Kölner Fahnder der Sonderkommission "Gas" darauf gestoßen, dass Ruhrgas sogar ein eigenes Reisebüro einrichtet hatte. Diskret wurden hier Vergnügungsreisen für einflussreiche Ratsmitglieder organisiert.

Ähnlich sei die Landschaftspflege bei anderen Energiekonzernen gelaufen, sagte Oberstaatsanwalt Feld. "Es war ein flächendeckendes System."


Quelle: http://www.sueddeutsche.de