Korruption - Was soll die ganze
Aufregung?
Korruption
ist wieder in aller Munde. Der Korruptionsskandal bei Siemens wird von
der Wirtschaftswoche (Nr. 18 aus 2007, S. 3) sogar als Siemens-Krimi
hochstilisiert. DER SPIEGEL (Heft 20/2007) berichtet auf Seite 92 über
die "Siemens-Schlammschlacht" und klärt die Leser darüber auf, dass die
Westdeutsche Landesbank nicht alleine riskante Spekulationsgeschäfte
versucht hat. Auf Seite 85 derselben Ausgabe erfährt der Leser dann
gleich noch, wie man als Millionär in Luxemburg Steuerschlupflöcher
nutzen kann. Die Financial Times Deutschland (11. April 2007, S. 1)
berichtet über einen Manipulationsverdacht bei einer Bank, deren Händler
jahrelang die Kurse der Aktien künstlich nach oben gezogen haben sollen.
Ein Betriebsrat des VW-Konzerns hat im NDR eingeräumt, von VW Prämien in
Millionenhöhe erhalten zu haben, weil er schwierige Entscheidungen mit
vertreten habe und er nicht einsehe, dass er nur einen Bruchteil von dem
bekomme, was Manager verdienten (Hamburger Morgenpost 23. Mai 2007, S.
8). Auch die Doping-Vorfälle im Sport, besonders im Fahrradrennsport,
kommen inzwischen mit einem Enthüllungsbuch des Radsportmasseurs Jef
D'hont ins Gespräch. Ein Dopingexperte spricht insoweit von
"organisierter Kriminalität" (der Dopingexperte Werner Franke in:
Hamburger Morgenpost 23. Mai 2007, S. 45). Und wer erinnert sich nicht
an die sogenannten Parteispendenaffären. Hier hat ein Ex-Bundeskanzler
bis heute Stillschweigen über besondere Formen der
Parteispendenfinanzierung bewahrt und wird gar als Nobelpreisträger ins
Gerede gebracht. Apropos Politik:
Noch immer
weigert sich die große Koalition, die Bestechung von Politikern unter
Strafe zu stellen getreu nach dem Motto des Satirikers Kurt Tucholsky,
wonach in Deutschland nicht bestochen werde, sondern nur beeinflusst
werde (DER SPIEGEL, Heft 21/2007, S. 38).
Kommunalfenster
hat seinen
Lesern hier nur einen kleinen Ausschnitt aus den täglichen Berichten
über Korruption vorgestellt. Deutlich wird, dass Korruption weit
verbreitet ist. Man trifft sie überall an. Aber was ist Korruption
eigentlich? Korruption bedeutet nichts anderes als Verderbtheit, etwas
zu Schanden machen oder vernichten (Kluge, Etymologisches Wörterbuch der
deutschen Sprache, S. 479).
Damit ist
Korruption ein moralischer oder ethischer Wertbegriff. Man soll eben
nicht mogeln, um sich Sondervorteile vor anderen zu erschleichen. Eines
der zehn Gebote sagt den Menschen christlichen Glaubens, sie sollten
nicht lügen. Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Umgangssprachlich
ausgedrückt "wird gelogen, dass sich die Balken biegen". Das mag die
Leser von
Kommunalfenster
überraschen.
Lügen ist völlig straflos in diesem Land. Wenn sich viele Menschen der
Lüge bedienen, dann ist das ein Gradmesser für die "Verruchtheit einer
Gesellschaft". Mehr ist es zunächst nicht. Viele normale Bürger werden
für sich danach streben, ein untadeliges Leben zu führen. In vielen
maßgeblichen Oberetagen der Entscheidungsfindung wird man indes eine Art
der Kultur des Lügens entdecken, denn wer gut mogelt, hat regelmäßig
auch viele Vorteile dadurch. Meistens hat Mogeln nämlich eine
finanzielle Auswirkung. Auch das ist zunächst etwas ganz Gewöhnliches in
einer Gesellschaft, in der Geld, Reichtum, Aktienkurse und ähnliches
eine Art moralischen Oberwert eingenommen zu haben scheinen. In den
Medien werden die Erfolgreichen und Reichen immer wieder besonders
herausgestellt. Wer gut mogelt und viel Erfolg hat, scheint zu der
Gewinnerclique in dieser Gesellschaft zu gehören. Weshalb also die große
Aufregung über Korruption, wenn doch mit Korruption die Erfolgsleitern
leichter zu erklimmen sind, als es bei einem ideal gedachten Wettbewerb
der Fall wäre?
Kommunalfenster
liegen
zuverlässige Quellen vor, wonach ein großer Pharmaunternehmer bei der
Erschließung des chinesischen Marktes Mitarbeitern sogar in der
Stellenplatzbeschreibung das Aufgabenfeld der Korruption zugewiesen hat.
Es ist auch kein Geheimnis, dass gerade bei der Eroberung asiatischer
Märkte überhaupt nur Korruption als Türöffner der einzige passende
Schlüssel geschäftlicher Erfolge gewesen ist. Auch die sogenannten
Barter-Geschäfte zählen in diese Kategorie. Viele Konzerne mussten für
den Markteintritt in China chinesische Produkte abnehmen und im
Weltmarkt unterbringen. So hatten manche Konzerne plötzlich massenweise
China-Böller zu verkaufen, obwohl das eigentlich gar nicht zum
Geschäftsprofil zählte. So etwas muss man wissen, wenn man über
Korruption redet. Es ist unehrlich, wenn man den Zeigefinger der Moral
in die Luft reckt, gleichzeitig aber als Aktionär hohe Dividenden
befürwortet, die teilweise nur durch Korruption erreicht werden können.
Auch das Geschrei um den Erhalt der Arbeitsplätze hier ist so lange
unaufrichtig, wie man sich nicht darum kümmert, wenn der Absatz steigt,
weil man im Ausland Korruption zur Meisterschaft entwickelt oder
Beziehungsgeflechte mit Barter-Geschäften aufmacht. Es ist also eine
Welt der Doppelmoral, in der man sich befindet. Auch das will
Kommunalfenster
einmal mit
aller Klarheit feststellen. Darin unterscheidet sich
Kommunalfenster
von den
schreierischen Medienberichten, wenn wieder einmal irgendwo eine
Korruptionsmine hochgeht, weil irgendeiner versehentlich oder gezielt
indiskret darauf tritt.
Ein bekannter
Philosoph hat einmal klugerweise bemerkt, dass das gesellschaftliche
Sein das Bewusstsein bestimmt (Karl Marx). Damit hat er sicherlich
den Nagel auf den Kopf getroffen. Wenn in einer Gesellschaft für Geld
sozusagen alles zu haben ist, nur der wirtschaftliche Erfolg zählt,
Regelbrecher Startvorteile haben, um nur einiges zu nennen, dann mag man
das als moralisch verwerflich bezeichnen. Man kann auf Dauer Ach und Weh
klagen, dass eine solche Gesellschaft ein hohes Maß an Verderbtheit
aufweist. Noch viel schlimmer ist indes, doppelmoralisch zu werten und
mit lautem Wehgeklage (wie es die Medien gerne auflagenwirksam tun) neue
Korruptionsfälle anzuprangern, sich aber über die damit verbundenen
Zusatzfrüchte zu freuen. Korruption ist an sich insoweit nichts
Schlimmes, lediglich die doppelmoralische Bewertung der Korruption ist
nicht zu tolerieren. Ein solches Prinzip wirkt nämlich ähnlich wie das
AIDS-Virus. Auch dieses schaltet in einer Art doppelmoralischer Weise
die Krankheitsabwehr aus, indem es einen Rollentausch vornimmt. Wer zur
Abwehr eines Virus aufgerufen ist, wird zur Schädlingsvermehrung
umgepolt. Wer die Früchte der Korruption gut heißt und einsteckt, der
funktioniert eben wie ein AIDS-Virus. So einfach ist die ganze Sache.
Aufregung über Korruption lohnt sich eigentlich nicht. Einfach
ausgedrückt: Es ist nun einmal so, wie es ist.
Etwas ganz
anderes sind dagegen Betrug und Bestechung. Wer etwa mit einer Tüte voll
Geld den chinesischen Markt für eine deutsche Pharmafirma öffnen soll
und zunächst einmal eine kleine Tüte Geld für sich selbst abzweigt, weil
man schlecht in einem unmoralischen Bereich wie der Korruption auch noch
eine exakte Buchführung verlangen kann, der betrügt seinen Arbeitgeber.
Dass solche Graubereiche wie Korruption natürlich wegen des geringeren
Entdeckungsrisikos auch Zusatzbegehrlichkeiten wecken, zählt zur Tücke
eines solchen Systems. Im Schatten sieht man eben schlechter. Auch das
ist eine alte Weisheit.
Kommunalfenster
will seines
Lesern noch ganz deutlich machen, was überhaupt Bestechung darstellt.
Bestechen kann man nach §§ 331 ff des Strafgesetzbuches nur Amtsträger
oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete. Bestechung
gibt es deshalb in der Form der Vorteilsannahme in der privaten
Wirtschaft überhaupt nicht. Auch das ist für viele Leser sicher eine
bemerkenswert neue Erkenntnis. Meist werden nämlich Korruption,
Vorteilsannahme oder Bestechlichkeit undifferenziert in einen
Begriffstopf geschmissen. Natürlich gibt es bei der Bestechung immer
zwei Seiten, den Bestecher und den Bestochenen. Während der Bestochene
immer ein besonderer Zeitgenosse sein muss, also ein Amtsträger, ein für
den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter oder auch ein Soldat
der Bundeswehr oder gar ein Richter oder Schiedsrichter, kann der
Bestecher jedermann sein. Damit soll gewährleistet werden, dass der
Staat mit seinen Repräsentanten nicht käuflich wird, sondern seine
Aufgaben in gleicher Weise gegenüber jedermann erfüllt. Da trifft einen
dann wieder das Bild der Politiker im Parteispendensumpf. Da erinnert
man sich vielleicht an irgendeinen Oberkreisdirektor oder Vorsitzenden
Richter, den man auf einer Abbildung einer Lokalzeitung mit seinen
Jägergenossen oder anderen verdichteten Sozialgruppen in einem
Lokalblatt abgebildet gesehen hat, wenn man sich über so manche
Entscheidung seine Gedanken im Stillen macht.
Wer sein Leben
und seine Umwelt richtig begreifen will, der muss sich all das, was
Kommunalfenster
hier wieder
mit aller Klarheit zum Ausdruck bringt, wirklich einmal "auf der Zunge
zergehen lassen".
Eine spannende
Frage wirft die Korruption indes aus einer Richtung auf, an die kaum
einer so richtig denken mag. Wenn in der Bundesrepublik Deutschland der
Umweltschutz (der viel Geld kostet) hoch bewertet wird und 3 % aller
Schadstoffausstöße auf der Welt überhaupt nur in diesem Land produziert
werden, dann ist es schon eine besonders verwerfliche Vorgehensweise,
wenn teilweise in den USA oder bei dem größten Schadstoffemittenten
China so getan wird, als habe man in Punkto Umwelt überhaupt kein
moralisches Gewissen. Auch die sogenannte Globalisierung zeigt, dass
Korruption eben überall nach dem gleichen Muster funktioniert. Wer sich
nicht an Regeln hält, sich ihnen nicht unterwirft, sie schlicht leugnet,
obwohl andere sich danach richten, der erheischt einen Zusatzvorteil,
der sich meist in Mark und Pfennig ausdrücken lässt. Blickt man dann
wieder auf dieses Land, dann fällt einem ein:
Den Deutschen
Michel gab es offensichtlich schon lange Zeit. Und es gibt ihn
offensichtlich noch heute. Man muss nur die Augen aufsperren.
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