"DIE MANGELNDE TRANSPARENZ der
Vatikanbank ist um so bedenklicher, als man weiss,
dass hinter den Leoninischen Mauern in den letzten
Jahren oft äusserst windige Finanzexperten die Fäden
zogen. Die Geschäftspartner des früheren IOR-Chefs
Paul C. Marcinkus gehörten in den siebziger und
achtziger Jahren zum Übelsten, was die italienische
Finanzwelt hervorgebracht hat. Eine Schlüsselrolle
spielte der Mafia-Bankier Michele Sindona, der über
den Vatikan grossflächig illegale Kapitalexporte
organisierte, seine Kunden im katholischen Römer
Polit-Establishment später erpresste und
schliesslich im Gefängnis mit einem vergifteten
Kaffee umgebracht wurde. Marcinkus geschäftete aber
auch mit den Chefs der P2-Geheimloge, Licio Gelli
und Umberto Ortolani, mit dem Finanzjongleur Florio
Fiorini, der seine Genfer Finanzgesellschaft Sasea
1993 mit ungedeckten Schulden von 5 Milliarden
Franken dichtmachen musste, oder eben mit Roberto
Calvi, dem gelehrigsten «Schüler» Sindonas, der
1982, kurz nach dem betrügerischen Konkurs «seines»
Banco Ambrosiano, an einem Strick unter der Londoner
Blackfriars-Themsebrücke baumelte. Marcinkus hatte
während Jahren bei unzähligen waghalsigen und
rücksichtslosen Deals mitgewirkt. Er stellte seinen
Kumpanen aus Italien die vatikanische
Extraterritorialität für schmutzige Geschäfte zur
Verfügung, deckte ihre Geldwäschereien auf
karibischen und südamerikanischen Off-shore-Zentren
mit Garantieerklärungen und führte damit andere
Banken an der Nase herum. Mit den erwähnten 250
Millionen Dollar wurde schliesslich das Schweigen
dieser Banken und ihr Verzicht auf Prozesse erkauft.
Auch hinter den Mauern des
Vatikans muss es damals einigen Wirbel gegeben
haben. Gegen aussen hielt der Vatikan trotz der
schweren Zweifel und Beschuldigungen aber am
offiziellen Verteidigungskonzept fest, wonach
Marcinkus und die andern IOR-Spitzenmanager
«hereingelegt» worden seien. Allein ihre
Gutmütigkeit und Unerfahrenheit habe zur unseligen
Verwicklung in die Ambrosiano-Affäre geführt. Der
Vatikan versuchte den Schein zu wahren und musste
deshalb auf die Entlassung Marcinkus' verzichten.
Erst 1989, als sich die Wogen längst geglättet
hatten, wurde der frühere Kardinalsanwärter und
Papstvertraute auch formell gefeuert und als
einfacher Pfarrer in ein amerikanisches Provinznest
geschickt." Quelle:
http://www.nzzfolio.ch